Heft 2, 4/2000
NQA Jahreskonferernz
5th Annual Conference in Portland, Oregon, im August 2000
Ronnie Robinson, Sekretär der Tai Chi Union of Great Britain und der Taijiquan and Qigong European Federation for Europe sowie Herausgeber des britischen Magazins Tai Chi Chuan & Internal Arts, berichtet von seinem Besuch bei der Jahreskonferenz der National Qigong Association of America.
Nachdem ich bereits einige Jahre hindurch an verschiedenen Orten Europas Taijiquan- und Qigong-Veranstaltungen und -Konferenzen sowohl organisiert als auch besucht hatte, war ich hoch erfreut, zum fünften nationalen Qigong-Treffen der National Qigong Association von Amerika NQA in Portland eingeladen zu werden.
Wir kamen am Freitagmorgen gegen acht Uhr zum Frühstück am Ort des Geschehens an, wo über 200 Menschen versammelt waren. Punkt neun Uhr begannen die Workshops. Das von 13 höchst erfahrenen PraktikerInnen angebotene Material war überwältigend. Da waren der 95-jährige Meister Duan Zhiliang, der zu diesem Anlass extra aus China angereist war, um Wuji Hundun Qigong anzuleiten - Selbstheilung mit freudvollem Chaos, Jiani Jiang mit Yin/Yang medizinischem Qigong, Jeff Nagel mit Nei Kung Chi Liao und Gasper Garcia mit den Händen von 18 Luohans sowie viele andere, die hier nicht alle aufgezählt werden können.
Da ich mir am Morgen Zeit für Gespräche mit einigen Komitee-Mitgliedern genommen hatte, konnte ich erst nach dem Mittagessen aktiv teilnehmen. Angesichts dieser riesigen Auswahl stand nun eine schwierige Entscheidung an. Doch schließlich ging ich zu Gasper Garcia. Die 18 Luohans erwiesen sich als sehr stark und kraftvoll mit viel Dehnen und Drehen. Gaspers Bewegungsqualität ist großartig und offensichtlich in vielen Jahre Kampfkunst-Training entwickelt. Sein Unterricht war klar, präzise und wurde in entspannter und überzeugender Weise vermittelt.
Nach dem Abendessen versammelten wir uns, um die Willkommens-Ansprachen und Konferenz-Bekanntmachungen zu hören. Ihnen folgten zwei beeindruckende Vorträge. Gunther Weil, Ph.D., Gründungsvorsitzender des Komitees der NQA, executive wellness, ist ein international anerkannter Unternehmensberater für Organisations- und Personalfragen und seit gut 25 Jahren Taiji- und Qigong-Lehrer. Sein Vortrag hieß: "Westliches Qigong? Heartmaths Kunst und Wissen". In Anerkennung der Tatsache, dass Qigong und die orientalische Medizin die psychosomatischen Implikationen eines unausgeglichenen Qi im Herzen und dessen Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit erkannt haben, präsentierte Gunther die Forschungsergebnisse des Heartmath Instituts - bahnbrechende Entdeckungen über die psychologischen Mechanismen, nach denen das Herz energetisch mit dem Gehirn kommuniziert und Wahrnehmung, Gefühle und Gesundheit beeinflusst. In wissenschaftlichen Experimenten hat Heartmath die Aktivität sowohl des Herzens als auch des Gehirns in Bezug auf bestimmte Reaktionen gemessen und evaluiert. Die Ergebnisse scheinen anzuzeigen, dass das Herz hinsichtlich der Empfänglichkeit und der Verarbeitung von Informationen, die das überaus wichtige Gebiet der Gefühle betreffen, bei weitem wirkungsvoller ist als das Gehirn. Er vermutete, dass das Herz und das Gehirn in direkter Kommunikation stünden, was dem Herzen ermöglichte das Gehirn zu instruieren, um schließlich einen harmonischen inneren Zustand zu schaffen. Diese Verfassung von innerer Balance, Harmonie und Wohlbefinden entspricht der Wirkung, die durch hingebungsvolles Qigong-Üben erzielt werden kann. Der Vortrag war stimulierend und wurde von einem gebannten Publikum enthusiastisch aufgenommen.
Im Gegensatz dazu wurde der nächste Vortrag "Qigong und Qi-Heilung" von dem hoch geschätzten Chunyi Lin, der seit über 20 Jahren Qigong übt, recht formlos dargeboten. Chunyi, ursprünglich aus China, jetzt ein Staatsbürger der USA, begann damit, dass er uns erzählte, wie wichtig es für ihn sei seine chinesische Herkunft zu wahren. Amüsiert legte er uns dar, dass es für den Qigong-Unterricht bedeutsam sei, dass er nicht nur chinesisch aussieht, sondern auch seinen chinesischen Akzent behält. Dies, so versicherte er uns, würde ihm helfen, als ein chinesischer Meister ernst genommen zu werden. Während der unterhaltenden und doch wirkungsvollen Demonstrationen ñdarunter eine, die die Länge unserer Finger durch ein Schütteln seiner Hände zu verändern schien - führte er uns die Wirkung der Qi-Übertragung vor und sprach über die verschiedenen Möglichkeiten, wie sie genutzt werden könnte, um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu unterstützen. In seinen Schlussworten ermutigte er uns, Dinge einfach zu halten, aber hart zu arbeiten.
Samstag gab es frühmorgens eine Reihe formlos angebotener Übungen. Nach dem Frühstück wurden uns die Lehrer der Vormittags- und Nachmittags-Workshops vorgestellt. Danach vermittelte ich einen Überblick über die gegenwärtige Qigong-Situation in Europa. Ich schloss mit der Aufforderung zu einer engeren Verbindung zwischen den USA und Europa beim Informationsaustausch, um weltweit Verständnis und Entwicklung im Qigong zu unterstützen.
Da ich für den Nachmittag ein paar wichtige Treffen vorbereiten wollte, konnte ich an keinem der außerordentlich verführerischen Vormittagsworkshops teilnehmen, bei denen ein unglaubliches Angebot hoch qualifizierter Repräsentanten zur Auswahl stand. Zu ihnen gehörten Jim Concotelli ñ Qigong-Therapie, Roger Jahnke - Methode zur Steigerung der Vitalität, Bruce Kumar Frantzis - Daoistische Atemübungen zum Qigong und zur Meditation und mindestens zehn weitere.
Nachmittags nahm ich an einer Reihe von Diskussionen teil, in denen Aspekte des Lehrens, der Anleitung und der klinischen Behandlung vertieft wurden. Sie konzentrierten sich auf die Verantwortung beim Unterrichten von Qigong hinsichtlich von Mindeststandards an Kompetenz, um einen Schutz für die Lernenden zu gewährleisten. Podiumsmitglieder berichteten, dass medizinische Institute Qigong gern empfehlen würden, sich aber nicht klar darüber sind, wie sie sich der Qualität der AnleiterInnen sicher sein können. Gegenwärtig suchen Versicherungsunternehmen in den USA nach einer Organisation, die Richtlinien für qualifizierte AnleiterInnen anbieten kann. Obwohl sie Qigong und Taijiquan gerne empfehlen, sind sie noch nicht bereit dafür zu bezahlen.
Es wurden zwei Ebenen der erforderlichen Klassifikation unterschieden, eine zum Unterrichten von Qigong und eine andere für die Anwendung von Qigong als Heilbehandlung. Eine Empfehlung für das Unterrichten von Qigong als Gesundheitsübung war ein Minimum von zwei bis drei Jahren Training auf der Grundlage eines Minimums von 100 Stunden Unterricht.
Als Anforderungen für die Anwendung von Qigong als Heilbehandlung wurden Regeln in Betracht gezogen, die gegenwärtig von einer Reihe anerkannter Lehreinrichtungen orientalischer Medizin beachtet werden. Die Gesprächsteilnehmer betrachteten verschiedene Aspekte einschließlich der Frage, ob Übende mit einfachen oder komplexen Systemen konfrontiert würden, was möglicherweise einen zweigleisigen Regulierungsansatz erfordern würde. Effie Chow, Akupunkteurin und Qigong-Meisterin der World Corporate Games und eine von 15 VertreterInnen der Organisation alternativer Medizin in den USA, betonte, dass neben der achtsamen Betrachtung des professionellen Könnens das fundamentale Bedürfnis nach Fürsorge seitens der PatientInnen nicht aus den Augen verloren werden dürfe.
Die nächste Diskussion wurde von Damaris Jarboux vom Body Mind Centre in Colorado geführt. Es war ein offenes Forum, auf dem Mediziner, Qigong-LehrerInnen und -Institute ihre Arbeit sowie Ideen und Vorschläge zur Qigong-Heilung/medizinischem Qigong vorstellen konnten. Damaris ist lange Zeit in China gewesen ist und hat Kliniken, in denen klinisches Qigong regelmäßig angewendet wird, sowohl besucht als auch dort gearbeitet. Sie informierte die Gruppe darüber, dass es bei den Aufenthalten inzwischen zu einem beiderseitigen Austausch mit den chinesischen rztInnen kommt, die Interesse daran zeigen, wie Qigong und andere damit in Verbindung stehende Methoden im Westen angewandt werden.
Die letzte Podiumsdiskussion des Tages zu medizinischem Qigong, Qigong-Heilung, Akupunktur und orientalischer Medizin wurde von Malvin Finkelstein geleitet. Er ist Kovorsitzender des Komitees für Medizinisches Qigong der NQA und Mitglied des Medizinischen Prüfungsausschusses für Akupunkteure in Oregon. Zu den SprecherInnen gehörten Vertreter der NQA, der American Association of Oriental Medicine, der Acupuncture and Oriental Medicine Alliance, der National Certification Commission for Acupuncture and Oriental Medicine, der World Academic Society of Medical Qigong (Beijing) und ich selbst stellte im Auftrag der Taijiquan und Qigong Federation for Europe die Situation in Europa vor. JedeR berichtete kurz über Kriterien, die von seiner oder ihrer Organisation angewandt werden. Dazu wurden aus dem Publikum Fragen gestellt. Dies war eine sehr fruchtbare Diskussion, die den lebendigen Austausch interessanter Informationen unterstützt hat.
In den vier Stunden währenden Gesprächen und Vorstellungen wurden viele Gesichtspunkte und viele verschiedene Ideen, wie Medizinisches Qigong gelehrt und geübt werden kann, geäußert. Darüber hinaus wurden Ausbildungszeiten, Supervisionen und künftige Organisationsformen besprochen. Die Debatten wurden - wenn auch zuweilen anspruchsvoll und herausfordernd - in einer offenen, gesunden, kreativen Atmosphäre geführt. Alle TeilnehmerInnen zogen die vielen unterschiedlichen Standpunkte eingehend in Betracht und die Qigong-Welt wird sicherlich eine große Bereicherung erfahren durch die Folgewirkungen dieser stimulierenden Gespräche.
Samstagabend sahen wir eine Reihe von Demonstrationen: David Leung, der sein Taiji-Training mit neun Jahren (vor 40 Jahren) begann, führte eine höchst interessante Form-Komposition vor, die Aspekte verschiedener Stile beinhaltete. Lyudnila Belova aus Russland zeigte eine exotisch aufflammende Qigong-Form. Gary Clyman aus Chicago führte sein einmaliges Tempelstil-Taiji und ein paar sehr intensive Neigong-Übungen vor. Jill Heath aus Kanada gab eine sehr ausgefeilte Vorstellung einer Fächerform. Auch Dayan Qigong war zu sehen. Der Höhepunkt des Abends war für alle die höchst außergewöhnliche Schwertform des 95 Jahre alten Meisters Duan, die darin kulminierte, dass er praktisch einen Breakdance auf dem Boden vollführte, während das Schwert unter seinem erstaunlich geschmeidigen Körper hindurchglitt. Der weitere Abend war einem Konzert mit dem Karma Moffet's Tibetan Bell Experience gewidmet. Für viele war dies eine hinreißende Erfahrung. Doch ich gönnte mir schließlich ein paar willkommene Push-Hands-Übungen.
Am Sonntagmorgen besuchte ich das Seminar von Dr. Jerry Alan Johnson über Probleme bei Qi-Heilungen. Jerry ist einer der führenden Praktiker und Ausbilder in Orientalischer Medizin. Sein Stil war amüsant, selbstsicher und durch und durch unterhaltsam. Er ging darauf ein, dass Qigong-HeilerInnen oft dazu neigen, negative Energien von PatientInnen aufzunehmen und Aspekte der Probleme, die sie behandeln, in ihrem eigenen Körper anzusammeln. Er zeigte anschließend ein paar dynamische Übungen zur Vertreibung negativer Energien.
Die NQA-Konferenz war eine wunderbare Erfahrung für mich. Ich habe einige interessante, einige unterhaltsame und einige höchst inspirierende Menschen getroffen. Diese Veranstaltung war professionell organisiert und hatte ein abwechslungsreiches und stimulierendes Programm, das mehr als 35 SeminarleiterInnen/DarstellerInnen einschloss. Jeder war daran interessiert und bereit Informationen auszutauschen, ohne Angst vor der viel benannten westlichen Neigung zu Konkurrenz. Die NQA fördert aktiv Verbindungen nicht nur nach China, wo sie hilft, ein paar Qigong-Kliniken am Leben zu erhalten, sondern auch untereinander, mit Großbritannien und mit Europa.
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