Heft 2, 4/2000

4. Deutsche Qigong-Tage

29. September bis 1. Oktober 2000 in Bonn

Die Deutschen Qigong-Tage sind mittlerweile zum wichtigsten Event in der deutschen Qigong-Landschaft geworden. Seit 1994 finden sie alle zwei Jahre statt, jeweils um Ende September herum. Zu den tragenden Organisationen gehören die Deutsche Qigong Gesellschaft, die Medizinische Gesellschaft für Qigong Yangsheng, die Universität Oldenburg, die Kolibri Seminare und neuerdings auch das Netzwerk Taijiquan und Qigong, die sich bei der Durchführung jeweils abwechseln. Helmut Oberlack gibt seinen Eindruck von den diesjährigen Qigong-Tagen in Bonn wider.

In diesem Jahr wurden die Qigong-Tage von der Medizinischen Gesellschaft für Qigong Yangsheng in der Universität Bonn veranstaltet. 350 TeilnehmerInnen - 50 mehr als vor zwei Jahren - zeugen von dem großen Interesse an dieser Veranstaltung, das sie sicherlich verdient. Über 20 ReferentInnen beziehungsweise Workshop-LeiterInnen berichteten in Vorträgen und Workshops von ihrer Arbeit.

Zu den beliebtesten ReferentInnen gehörten die Gäste aus China:
- Liu Yafei von der Qigong-Klinik Beidaihe, die nicht nur von ihrer Arbeit in China berichtete, sondern auch mit ihren Morgenübungen begeisterte,
- Prof. Liu Jin von der Universität Wuhan und
- Wang Guangde, Abt des daoistischen Klosters Wudangshan, zusammen mit seinem (ehemaligen) Schüler Tian Liyang.

Die beiden Workshops von Wang Guangde waren erwartungsgemäß sehr gut besucht, hat man doch nicht jeden Tag die Gelegenheit, den Abt eines daoistischen Klosters zu erleben. Die Basisübung für AnfängerInnen, die er beziehungsweise Tian Liyang dort vermittelte, stellte schon einige Anforderungen - die wohl alle AnfängerInnen hierzulande mächtig überfordern würden: entspanntes Stehen und nacheinander Baihui, Mingmen und Yuanquan öffnen und dabei lächeln. Es folgten dann verschiedene Bewegungen, mit denen das Qi des Himmels und der Erde aufgenommen und anschließend beide vermengt wurden, ein Qi-Ball wurde hin und her bewegt und natürlich auch gehalten. Das Ganze dauerte länger als 30 Minuten, auch wenn man die Zeit, in der der Abt grundsätzliche Dinge erklärte, abzog. Diese Übung, die den Körper stärkt, sollte man erst mal sehr lange üben, bevor man weitermachen darf.

Beim anschließenden »Frage-und-Antwort-Spiel« erfuhren wir dann unter anderem, dass ein Großteil des Tagesablaufes eines modernen Mönchs darin besteht, Touristen durch das Kloster zu führen. Natürlich bleibt noch Zeit zum Üben, morgens zwischen 4.00 und 6.00 Uhr und abends ab 21.00 Uhr. Drei weitere Stunden stehen für Gebete und die Diskussion von daoistischen Texten zur Verfügung.

Diskutiert wird aber nicht nur in daoistischen Klostern, sondern auch auf europäischen Kongressen. 14 Vorträge gaben reichlich Anlass zum Gedankenaustausch, auch wenn dafür die Zeit knapp bemessen war. Die Themen der Vorträge und Workshops gingen kreuz und quer, trafen aber in jedem Fall das Motto der Qigong-Tage: »Ruhe und Bewegung stellen die beiden Tore dar. Von den Wurzeln des Qigong in Daoismus und Heilkunde bis zu seiner heutigen Anwendung.«

Die Qualität der Vorträge war recht unterschiedlich: von heiter-lustig bis wissenschaftlich-trocken. Das gehört bei einer solchen Veranstaltung mit einem so großen Programm dazu, für jeden war etwas dabei. Mir persönlich gut gefallen hat der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Schott, Medizinhistoriker an der Uni Bonn, der in seinem Vortrag »Zur Tradition der magischen Medizin in der Neuzeit - von Paracelsus bis Mesmer« den Begriff »Traditionelle Westliche Medizin« einführte und Brücken zur TCM baute.

Die Workshopzeiten waren mit 90 Minuten recht kurz, viele TeilnehmerInnen und auch WorkshopleiterInnen wünschten sich mehr Zeit um Praxis und Theorie verbinden zu können. Dieses Phänomen tritt immer bei solchen Veranstaltungen auf, ein Wochenende scheint zu knapp zu sein, doch mehr Zeit nehmen sich viele TeilnehmerInnen nicht, manche sogar noch weniger. Am Samstag war es deutlich voller als an den beiden anderen Tagen.

Das Kulturprogramm am Samstagabend, »Ost-Westliche Verbindungen in Wort und Klang«, wurde zu einem Höhepunkt der Qigong-Tage. Zu den umjubelten KünstlerInnen gehörte das Duo »Chinesische Saiten«, zwei in Deutschland lebende chinesische Künstlerinnen. Xu Fengxia (Guzheng, Gesang) und Zhang Zhengfang (Erhu) verzauberten das Publikum mit klassischer und moderner chinesischer Musik und ihrer Natürlichkeit. Doch auch Axel Dreyers Rezitationen von Kleists Marionettentheater und Brechts »Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration« waren exzellent. Vorführungen von Tian Liyang fehlten nicht, hingegen aber jene von Wang Guangde - was allerdings zu erwarten war. Abgerundet wurde der Abend von Chu Huilen, Yang Chaoliang und Michael Friedrichs, die chinesische Gedichte vortrugen, auf Chinesisch mit deutscher Übersetzung.

Sehenswert war auch die Ausstellung, die im weitläufigen Foyer aufgebaut war. Zahlreiche Tafeln gaben einen Einblick in die Vielfalt des Qigong. Alte chinesische Darstellungen standen neben modernen Anwendungen wie »AOK-Kurs mit Kindern« oder »Qigong in Selbsthilfegruppen«. Merksprüche, Kalligraphien, Fotos, Darstellungen von Qigong-Systemen hingen in bunter Mischung nebeneinander. Es überraschte dabei nicht, dass viele Fotos und Tafeln sich auf das Lehrsystem von Prof. Jiao Guorui bezogen, hatten doch die Veranstalter davon am meisten Material. Und es ist verständlich, dass sie die Gelegenheit nutzten sich darzustellen. Schließlich ist die Ausrichtung eines solchen Kongresses eine ganze Menge Arbeit.

Die Organisation war nahezu perfekt. Freundliche HelferInnen waren immer ansprechbar, ein »Wo-ist-denn-nun-der-Raum-503-Chaos« blieb aus und für das leibliche Wohl war reichhaltig gesorgt. An dieser Stelle möchte ich Gisela Hildenbrand, Manfred Geißler und ihren MitorganisatorInnen ein großes Lob aussprechen, sie haben es wirklich sehr gut gemacht.

Dennoch gab es auch Kritik - alles andere wäre eine Überraschung. Manche meinten, das Programm sei zu voll, weniger wäre mehr gewesen, mehr Zeit für die einzelnen Workshops und für Gespräche zwischendurch seien empfehlenswert. Andere hielten den Kongress für zu »kopflastig«, ihm fehle die »Leichtigkeit«. Diesem Punkt stimme ich persönlich zu, ich hätte mir auch mehr Zeit für Praxis gewünscht. Allerdings finde ich es wichtig, dass es wissenschaftlich ausgerichtete Qigong-Treffen beziehungsweise -Kongresse gibt, die - leider - immer einen Hang zur »Kopflastigkeit« haben. Wenn Qigong sich mehr in unserer Gesellschaft etablieren soll, dann müssen sich die Qigong-Übenden auch mit den hier vorherrschenden wissenschaftlichen Gepflogenheiten auseinander setzen. Zudem gibt es andere Treffen, die einen höheren Praxisanteil haben.

Einige TeilnehmerInnen kamen nicht mit der Rolle der Qigong-Arbeitskreise zurecht. Eigentlich ist es eine schöne Idee, zu verschiedenen Gebieten des Qigong (s. Randspalte) regelmäßige Arbeitskreise zu haben. Am Sonntagvormittag trafen sich diese Arbeitskreise für 90 Minuten. Anschließend, kurz vor Ende der Qigong-Tage, stellten die LeiterInnen der Arbeitskreise ihre Ergebnisse beziehungsweise Tätigkeiten jeweils in fünf Minuten dem Plenum vor. 90 Minuten erscheinen allerdings knapp um wesentliche Fortschritte machen zu können, zumal viele neue TeilnehmerInnen sich erst mal vorstellen mussten.

Die Arbeitskreise treffen sich nicht nur auf den Qigong-Tagen, sondern jeweils an einem weiteren Tag im Jahr zwischen den Qigong-Tagen. Die Veranstalter der Qigong-Tage organisieren auch das Treffen der Arbeitskreise in dem darauf folgenden Jahr. Hoffentlich wird es im nächsten Jahr stattfinden, im letzten wurde das Treffen mangels Beteiligung abgesagt. Dennoch bleibt die Frage, ob dieser Turnus ausreichend für eine effektive Arbeit ist. Ich würde mich freuen, wenn die KoordinatorInnen oder TeilnehmerInnen der Arbeitskreise dazu Stellung nähmen.

Ein letzter Punkt der Kritik betrifft die Absprache von Terminen. So war es schade, dass am gleichen Wochenende in Österreich die »Qigong- und TaijiQuan-Tage« stattfanden. Ich hoffe, dass sich die Verbände in Zukunft besser absprechen werden um solche »Doubletten« zu vermeiden - und dass der Veranstaltungskalender des Taijiquan & Qigong Journals dabei hilfreich ist. Ich bin gerne bereit, einen »zentralen Terminkalender« zu führen, in dem (geplante) Qigong- und Taijiquan-Treffen verzeichnet sind.


Inhaltsverzeichnis | Antwort von Dr. med. Ingrid Reuther

 

 


Die nächsten Qigong-Tage
finden vom 27. - 29. September 2002 im Altmühltal statt. Veranstalter ist die Deutsche Qigong Gesellschaft.
Info: qigong-gesellschaft@01019freenet.de, www.qigong-gesellschaft.de


Berufsspezifische Arbeitskreise

Qigong in der allgemeinen Gesundheitsbildung
Koordination: Dr. med. Irmtraud Debus-Kauschat, Akazienweg 2, D-64665 Alsbach, Fon 06257/90 27 89, Fax 06257/90 27 87

Qigong in der Arbeitswelt
Koordination: Herbert Gäbler und Hildegund Kawohl

Qigong in der Pädagogik
Koordination: Edeltraud Rohrmoser, Waldstr. 29/1, D-72250 Freudenstadt, Fon & Fax 07441/46 27 und Eva Ebener, Holbeinstr. 20, D-56626 Andernach, Fon 02632/49 31 08

Qigong in der Medizin
Koordination: Dr. med. Ingrid Reuther, Ringener Str. 30, D-53501 Grafschaft-Karweiler, Fon 02641/260 60, Fax 02641/20 27 37, E-Mail drreuther@aol.com

Qigong in der Kunst
Koordination: Roswitha Schläpfer, Eifelstr. 36, D-50677 Köln, Fon 0221/32 67 20, Fax 0221/304 96 64 und Edith de Bruyn, Unterbergscheid 10, D-51789 Lindlar, Fon 02266/24 59

Qigong in der Psychotherapie
Koordination: Dr. med. Dorothea Boente, An der Josefshöhe 18a, D-53117 Bonn, Fon 0228/67 47 38 und Dipl.-Psych. Manfred Geißler, Am Gutspark 2a, D-38162 Destedt, Fon & Fax 05306/91 16 51


Nächstes Treffen der Arbeitskreise:
29. September 2001 im Raum Köln/Bonn
Info: Medizinische Gesellschaft für Qigong Yangsheng, Herwarthstr. 21, D-53115 Bonn, Tel. 0228/69 60 04, Fax 69 60 06, E-Mail qigong-yangsheng@t-online.de


Die Website der Medizinischen Gesellschaft für Qigong Yangsheng informiert über die Tätigkeit der Arbeitskreise: www.qigong-yangsheng.de